Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Pölitz: Mitglied der Zeugen Jehovas wurde Siedlerstelle entzogen

15. Januar 1934

Zeugen Jehovas Wahlverweigerung

Reinhard Lemke aus Pölitz, Mitglied der Zeugen Jehovas, wurde eine Siedlerstelle wieder entzogen,  weil laut einer Verfügung des Regierungspräsidenten in Stettin  bei der Vergabe von Siedlerstellen „nur solche Personen in Frage kommen, von denen nach ihrer politischen Einstellung anzunehmen war, daß sie sich jederzeit für den nationalsozialistischen Staat einsetzen würden". Daraufhin schrieb Lemke am 15. Januar 1934 dem Reichsminister des Innern: „Er habe sich am 12. November 1933 nicht an der Wahl zum Reichstag beteiligen können, da er sich ja bereits für Christus entschieden habe und auch in den vergangenen 14 Jahren der Nachkriegszeit aus den gleichen Gründen ‚unter einer marxistischen Regierung ebenfalls von jeder Politik ferngehalten‘ habe. Aus diesem Grund habe auf dem Marktplatz wochenlang eine Schandtafel gestanden, ‚auf welcher mein Name unter dem Namen anderer Glaubensgenossen öffentlich gebrandmarkt wurde, obwohl vom Ministerium ausdrücklich solche Dinge verboten sind‘. Als deutscher Staatsangehöriger erhebe er gegen solche Bedrückung Protest. ‚Solange wir in einem Rechtsstaat leben, bin ich überzeugt, dürften derartige Maßnahmen, die jeder juristischen Grundlage entbehren, nicht vorkommen; und müssen die von höchster Stelle gegebenen Verfügungen von allen Regierungsstellen respektiert werden‘. Lemke bat um die Rückgabe seines Siedlungshäuschens, da er eine lungentuberkulöse Tochter habe. Im April 1934 erhielt Lemke den natürlich abschlägigen Bescheid, nachdem auch der Bürgermeister von Pölitz am 26. Februar ausführlich über Lemke und einen weiteren Bibelforscher, Otto Kohn und deren Wahlverweigerung berichtet hatte. Zur Schandtafel, auf der eine ‚Liste der Volksverräter‘ angebracht worden war, bemerkte er: ‚Auf ihr waren diejenigen böswilligen Nichtwähler verzeichnet, die der Bevölkerung bekannt waren. Eine nachträgliche Durchsicht der Wahlkartei hat nicht stattgefunden, auch habe ich niemanden die Wahlkartei zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt‘. Der ablehnende Bescheid wurde folgerichtig mit Lemkes mangelnder Zuverlässigkeit begründet. Das Aufstellen der Schandtafel sei eine ‚Tat aus vaterländischen Empfindungen heraus und berechtigter Empörung über ihr Fernbleiben von der Wahlurne.‘“[1]

[1] Inachin, Kyra T.: Von Selbstbehauptung zum Widerstand. Mecklenburger und Pommern gegen den Nationalsozialismus 1933 bis 1945, Kückenshagen 2005, S. 154f.