Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Granzin: Pfarrer Nikolai Sönnichsen gründete kirchlichen Arbeitskreis im NKFD

29. August 1943

Nationalkomitee Freies Deutschland Widerstand aus der Evangelischen Kirche

 

Nikolai Sönnichsen, Pfarrer in Granzin, NSDAP Mitglied sowie Deutscher Christ, geriet als Oberleutnant und Kompaniechef im Jahr 1942 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach einem Sinneswandel bekannte er sich 1943 zum NKFD, gründete den kirchlichen Arbeitskreis im NKFD[1] mit und wurde Mitarbeiter der Zeitung „Freies Deutschland“.

Nikolai Sönnichsen sagte selbst:  „Es kam der 26. August 1939 und mit ihm meine Einberufung zu einer kurzfristigen Übung, die, soviel mir bekannt ist, heute nach fünf Jahren noch nicht beendet ist. Wie einst 1915 bin ich auch 1939 begeistert Soldat geworden. Ich glaubte, damit eine nationale Pflicht höchster Art zu erfüllen, ging es doch, das glaubte ich fest, um die Verteidigung der Sicherheit, der Ruhe und der Ehre unseres Volkes. Das änderte sich auch nicht beim Einmarsch in die Sowjetunion. Im Juni 1942 hatte ich während des Urlaubs eine Auseinandersetzung mit einem alten, 72jährigen Mann meiner Gemeinde, der nicht an einen Sieg glauben konnte. Er sagte sogar: , Deutschland darf diesen Krieg nicht gewinnen, wenn es noch eine Gerechtigkeit gibt.‘ Ich weiß heute, jener Alte hat aus seinem Christenglauben heraus gesprochen. Ich kehrte zur Truppe zurück und machte den Vormarsch in den Kaukasus mit. Aber dann kam Stalingrad, es kamen Afrika, Sizilien, Italien, das Ausfallen der U-Bootwaffen; die immer fortschreitende Zerstörung deutscher Städte. Hinzu kam eine ganz neue Schau über die Kriegsziele. Der ganze Apparat, welcher der kämpfenden Truppe an die Südfront folgte, redete von ganz anderen Dingen als von einem Präventivkrieg. Ministerreden bestätigten es, es ginge um andere Dinge, es ging um Land, um Getreide, um Öl, um Erze, mit anderen Worten, es ging um Eroberung. Mit dieser Erkenntnis änderte sich meine Einstellung zu diesem Krieg grundsätzlich. Ich mußte dem Alten aus meiner Heimatstadt im innersten Herzen recht geben. In dieser Verfassung befand ich mich, als ich am 29. August 1943 in Gefangenschaft geriet. Im Lager Schachty bekam ich das Manifest der Bewegung  ,Freies Deutschland‘ in die Hand. Das eigene Schicksal nahm mich aber vorläufig noch so sehr in Anspruch, daß ich für nichts anderes Interesse hatte. Erst mit der Zeit gewann ich wieder Interesse für meine Umwelt. Ich lernte allmählich,  ,ja‘ zu dem Manifest des Nationalkomitees zu sagen, wenn auch erst zaghaft. Mitte Januar des Jahres wurde in unserem Lager eine Gruppe des Bundes Deutscher Offiziere gegründet. Ich trat ihr sofort bei. Das ist mein Weg ... Mit freudigem und freiem Herzen führen wir den Kampf, und wir warten nur sehnsüchtig auf die Stunde, wo wir in unseren Gemeinden, in unserem Volk stehen können, um Zeugnis abzulegen von dem, was wir gesehen, gehört und erfahren haben.“[2]

[1] http://de.evangelischer-widers...

[2] Jahnke, Karl Heinz: Der antifaschistische Widerstandskampf unter Führung der KPD in Mecklenburg 1933 bis 1945, Berlin 1985, S. 256.