Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Ueckermünde: Erstes Friedensgebet in Ueckermünde

29. Oktober 1989

Demonstration Pastoren während der Friedlichen Revolution Friedensgebete

Superintendent Jürgen Jehsert erinnert sich: „Dem Wunsch zumeist nichtkirchlicher Jugendlicher nach Friedensgebeten auch in Ueckermünde haben der Gemeindekirchenrat (GKR) und wir Pfarrer zunächst nicht stattgegeben, da solche Veranstaltungen auch sonst in Ueckermünde nicht üblich waren. Dennoch war auch in Ueckermünde die allgemeine politische Anspannung spürbar. Plötzlich tauchten im Oktober 1989 weit verbreitet in der Stadt Flugschriften auf mit dem Inhalt:

AUFRUF ZUR GEMEINSAMEN FORTSETZUNG DES DIALOGES!

LIEBE MITBÜRGERINNEN UND MITBÜRGER! HIERMIT RUFE ICH EUCH AUF; AN EINER GEMEINSAMEN FRIEDENSKUNDGEBUNG TEILZUNEHMEN, DIE AM 29.10.1989, um 8:00 Uhr IN UNSERER EVANGELISCHEN KIRCHE IN UECKERMÜNDE STATTFINDEN WIRD.

Viele Ueckermünder meinten, 'Ich hätte den Aufruf verfasst. Das stimmte zwar nicht, trotzdem hatten der Gemeindekirchenrat und wir Pfarrer zu reagieren. Wir mussten uns darauf vorbereiten, dass am Sonntag, dem 29.10.1989 viele Leute in die Kirche strömen würden. Gleichzeitig durften wir uns das Heft des Handels nicht aus den Händen nehmen lassen. Da wir den oder die Verfasser des Aufrufs zum damaligen Zeitpunkt nicht kannten, mussten wir, soweit es in unseren Kräften stand, dafür Sorge tragen, dass Tumult und Gewaltanwendung vermieden würden.

So beschloss der GKR: Am 29. Oktober 1989 wird der Gottesdienst wie üblich um 9:30 Uhr in der St. Marienkirche gefeiert. Für die Ordnung während des Gottesdienstes sorgt die Kirchengemeinde. Die anschließende Demonstration ist nicht von der Kirchgemeinde initiiert und auch nicht zu verantworten. … Fortan wurden in Ueckermünde die Sonntagsgottesdienste mit anschließender Demonstration zum Ueckerpark und dortiger freier Diskussion sowie die Friedensgebete am Montagabend von mehreren hundert Leuten besucht.“[1]

[1] Jehsert, Jürgen: Erinnerungen an die Wende 1989 in Ueckermünde, in: "750 Jahre Stadt Ueckermünde 1260 - 2010", Ueckermünde 2009, S. 18.