Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Schwerin: Erste Baumpflanzaktion fand hier statt

16. November 1979

Evangelische Jugendarbeit Ökogruppen Umweltschutz

Während der ersten Schweriner Baumpflanzaktion pflanzten vom 16. bis 18. November 1979 ca. 50 Jugendliche aus der kirchlichen Jugendarbeit Schwerin unter Anleitung von Jörn Mothes,[1] Nikolaus Voß[2] und Olaf Naasner etwa 5.000 vom "VEB Grünanlagen" gestellte Bäume und Sträucher entlang einer neugeschaffenen Straßenbahnlinie. Die nächste derartige Aktion fand im März 1980 mit über 100 Teilnehmern statt.[3] Diese Eintracht zwischen Staat und unabhängigen Umweltschützern trübte sich später ein und der teilnehmende Gärtner Olaf Naasner wurde auf Grund seines Engagements entlassen.[4]

Die westdeutsche Zeitschrift „Kirche im Sozialismus“ interviewte noch im Jahr 1980 die Veranstalter der Baumpflanzbewegung:

„Frage: Ihr seid eine Gruppe Jugendlicher, die sich in der Vergangenheit besonders mit der Umweltproblematik befaßt hat und auch schon konkrete Aktionen in diese Richtung unternommen hat, vor einiger Zeit eine sogenannte Baumpflanzaktion, was habt Ihr da gemacht?

Antwort: Die Idee der Baumpflanzaktion entstand 1979, vorwiegend aus unserer Einstellung, also aus christlicher Mitverantwortung in Beziehung zur Umwelt. Wir haben uns daran gemacht, zusammen mit einem staatlichen Betrieb in Schwerin, dem VEB Grünanlagen, so eine Aktion vorzubereiten. Es ist einer der Betriebe, mit dem wir auch als kirchliche Jugendgruppe gute Kontakte aufbauen konnten. Im November 1979 kam es dann zur ersten Baumpflanzaktion in Schwerin. Wir pflanzten etwa 5.000 Sträucher und Bäume entlang einer neuen Straßenbahnlinie, die in den Industriekomplex bei Schwerin führt. Diese sehr kahlen Hänge wurden von uns grün gestaltet. Dabei war es unser Ziel – und das ist einer der Gedanken, aus denen auch diese Baumpflanzaktion entstand – nicht nur viel zu reden und zu schimpfen über den Umweltschutz, wie schlecht alles steht, sondern etwas dafür zu tun. Wir schimpfen nicht nur, daß so viele Bäume abgeholzt werden, daß so viele Bäume an Giften eingehen, so viele Pflanzen kaputtgehen, sondern wir pflanzen einfach neue.

Frage: Welche Probleme?

Antwort: Zum Beispiel die Probleme der Abwasserbehandlung bzw. -beseitigung im Bezirk Schwerin, die dort eine spezielle Rolle spielen. Das ist ein großes Problem. Die Abwässer werden nicht alle gereinigt, sie werden unter großer Belastung der Umwelt abgegeben. Weiter haben wir uns befaßt mit der intensiven chemischen Düngung in der Landwirtschaft – inwieweit das Probleme für die nächsten Jahre mit sich bringt auch in bezug auf die Erträge oder in der Diskussion über die Monokultur, die es bei uns gibt. Das waren so einige Schwerpunkte.

Am Sonntag darauf haben wir einen Gottesdienst mit einem Pastor unserer Stadt zusammen gestaltet. Ein sehr schöner Gottesdienst mit Spielszenen, viel Musik und danach der symbolischen Pflanzung eines Baumes, den wir vom VEB Grünanlagen geschenkt bekamen. Dieser Betrieb hat uns den Baum als Dankeschön überreicht, und wir haben vor der Kirche in Lankow, einem Stadtteil von Schwerin, diesen Baum gepflanzt und so ein Symbol des Lebens, der Erhaltung der Natur gesetzt. Diese erste Baumpflanzaktion hatte ein sehr positives Echo auch in anderen Teilen der DDR, und so entschlossen wir uns, eine zweite Baumpflanzaktion zu organisieren, die dann im März 1980 stattfand, diesmal schon mit etwa hundert Beteiligten, während es beim ersten Mal etwa 50 waren.

Frage: Wer ist dazugekommen?

Antwort: Es sind vor allem Jugendliche aus vielen anderen Städten gekommen, auch aus nichtkirchlichen Kreisen, also Jugendliche aus der Stadt, die wir kannten, die wir mitgebracht haben.

Frage: Wo sind denn Eurer Meinung nach Maßnahmen in Richtung Umweltschutz am allernotwendigsten?

Antwort: Das wichtigste, um eine Voraussetzung für Maßnahmen zum Umweltschutz zu bringen, ist es erstmal, unter den Jugendlichen ein umweltförderndes Bewußtsein zu bilden, ein Bewußtsein, daß man sich der Umwelt gegenüber gerecht verhält, daß man verschiedene Bequemlichkeiten oder Sachen, die man im Alltag macht, die die Umwelt schädigen bzw. über die man sich gar nicht mehr aufregt, daß man diese Sachen einfach unterläßt. Ferner Aktionen wie z.B. diese Baumpflanzaktionen, mit denen man einfach Zeichen setzt, um Umwelt neu aufzubauen. Weiterhin ist vom Staat die Gesellschaft für Natur und Umwelt gegründet worden, vom Kulturbund aus, und über diese Vereinigung ist es also auch möglich, sich über gemachte Umweltfehler bzw. über Umweltprobleme, die bestehen, zu beschweren und zu versuchen, daß sie verhindert oder rückgängig gemacht werden.

Frage: Gibt es über diese Thematik einen Dialog auch mit nicht-christlichen Jugendlichen, die beispielweise in der FDJ, der »Freien Deutschen Jugend«, organisiert sind?

Antwort: Ja, das ergibt sich ganz zwangsläufig. Viele von uns sind auch in der FDJ. Dort werden sie dazu aufgefordert, darüber zu reden. Aber nicht nur dort, denn es ist ja auch so, daß nicht schon alle junge Christen ein Umweltbewußtsein haben. Wir müssen auch weiter sozusagen in unseren eigenen Reihen darüber sprechen, was für Probleme bestehen, und auch dort ein offenes Ohr dafür schaffen. In den FDJ-Gruppen, die wir kennen, ist es zwar möglich, darüber zu reden, aber es ist nicht möglich, konkrete Taten folgen zu lassen, weil das Bewußtsein einfach noch nicht da ist. Auch an unserer Schule wird von staatlicher Seite so argumentiert, daß die Jugendlichen eben die Notwendigkeiten des Aufbaus einer Wirtschaft der maximalen Produktionsziffern eher einsehen bzw. dieses über die Erhaltung der Umwelt stellen müssen.“[5]

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/...

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/...

[3] http://www.schwerin.de/geschic...

[4] https://books.google.de/books?...

[5] Quelle: „Es geht um mehr als Bäumepflanzen. Interview mit einer Schweriner Umweltinitiative“, Kirche im Sozialismus, 1980, Nr. 5-6. http://germanhistorydocs.ghi-d...