Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Rostock: Jüdischer Direktor der Klinik für Mund- und Zahnkrankheiten der Universität Rostock kündigt

8. März 1933

Widerstand am Arbeitsplatz Akademiker Ärzte Universität Widerstand durch Juden

Der Direktor der Klinik für Mund- und Zahnkrankheiten der Universität Rostock, Prof. Dr. Hans Moral, schrieb am 8. März 1933 an den Dekan der Medizinischen Fakultät, Rostock:

„An die Medicinische Fakultät der Universität Rostock, Rostock i. M. Ew. Spektabilität

Möchte ich mir erlauben folgendes vorzutragen: Die Entwicklung in Deutschland geht einen Weg, der wahrscheinlich zur Folge haben wird, daß man mich aus meinem Lehramt entfernt. Ich habe zwar meine Pflicht getan und habe nichts getan und unterlassen, was als schlecht oder straffällig anzusehen wäre. Darauf aber kommt es im Moment nicht an. Ich bin Jude und habe nie einen Hehl daraus gemacht, ich bin aber meiner ganzen Einstellung nach Deutscher und bin immer stolz darauf gewesen ein Deutscher zu sein, ein Deutscher, dessen Konfession die jüdische ist. Ich lehne es auch ab, aus äusseren Gründen meine Konfession zu wechseln.

Aber eben weil ich ein Jude bin, soll ich aus meinem Amt entfernt werden. Das kann ich, der ich meine Arbeit immer mit vollem Herzen getan habe und der ich nichts getan habe, was gegen meinen Eid oder meine Pflicht gewesen wäre, nicht erleben. Ich werde also freiwillig gehen, aber ich gehe nicht, um wo anders meine Arbeit wieder aufzunehmen, ich gehe dahin, wo Ruhe und Frieden ist, die Ruhe, die mir die Elemente nicht gönnen, die meinen, daß ein Jude ein minderwertiger Mensch ist. Ich darf Sie bitten der Fakultät für das mir allzeit bewiesene Vertrauen meinen besten Dank zu sagen. Ich habe mich in der Mitte der Fakultät alle Zeit sehr wohl gefühlt und scheide mit dem besten Dank an alle Mitglieder der Fakultät.

Der Fakultät als Ganzes wünsche ich eine gute Weiterentwicklung und allen Mitgliedern im besonderen alles Gute für ihre Zukunft. Darin sollen aber auch alle die eingeschlossen sein, die zum Lehrkörper der Medicinischen Fakultät gehören auch wenn sie der eigentlichen Fakultät nicht angehören.

In diesem Sinne lassen Sie mich schließen, ich grüße Ew. Spektabilität zum letzten Male.

Moral“[1]

[1] Jahnke, Karl Heinz: Sie dürfen nicht vergessen werden. Widerstand gegen die NS-Diktatur in Mecklenburg

1933-1945, Rostock 2005, S. 200f.