Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Rostock: Anwalt wird angeklagt und stirbt im Gefängnis

8. Januar 1942

Anwälte

Ludwig Jenss war ein Rostocker Rechtsanwalt mit Kanzlei am Hopfenmarkt 8. „Weil er sich nicht scheute, auch Gegner des NS-Regimes, Menschen, die mit den neuen Machthabern in Konflikt geraten waren, zu vertreten, rief er bei den Naziführern, insbesondere bei Gauleiter Friedrich Hildebrandt, Unmut und Ablehnung hervor. Die Situation spitzte sich zu, als Dr. Jenss 1935 die Verteidigung des bekannten katholischen Geistlichen, des Prälaten Wilhelm Leffers, übernahm. Die Lage verschärfte sich zu Anfang des Krieges. Gauleiter Hildebrandt griff auf einer Gesamtmitgliederversammlung der NSDAP, die am 28. Juli 1940 in der Neptunwerft stattfand, Dr. Jenss direkt an. Kurz danach erhielt die Anwaltskammer die Aufforderung, Dr. Jenss aus ihren Reihen auszuschließen. Damit in Verbindung war durch die Kreisleitung der NSDAP in Rostock eine Beurteilung des Rechtsanwalts angefertigt worden, in der es heißt: ‚ ... daß Dr. Jenss eine Persönlichkeit, die als politisch unzuverlässig von der Partei abgelehnt werden müsse, ist, und daß der Angeschuldigte mehr und mehr zum Vertreter staatszersetzender Kräfte nicht nur in Mecklenburg, sondern auch außerhalb geworden sei. Als Volksschädlinge angeprangerte Leute hätten ihre Tätigkeit nur entwickeln können, weil sie die Unterstützung von Dr. Jenss hätten, und seitens des Ortsgruppenleiters in Rostock wäre immer wieder darauf hingewiesen, daß eine derartige Ansammlung der Reaktion bei einem Anwalt untragbar wäre.‘ Bei der Verhandlung vor der Anwaltskammer wurden aus mehreren hundert Verfahren der letzten vier Jahre acht Prozesse herausgegriffen, um die Anschuldigungen zu beweisen. Dr. Jenss trat seinen Anklägern entschlossen entgegen und bewies die Unsachlichkeit ihres Vorgehens. Trotzdem wurde er am 3. November 1940 aus der Anwaltskammer ausgeschlossen. …Um Dr. Jenss mundtot zu machen, erfolgte im August 1941 seine Verhaftung. Eine Schuld gegen ihn wurde konstruiert - angeblich sollte er an einem Wirtschaftsvergehen beteiligt sein. Ihm wurde zur Last gelegt, daß er von einem Molkereibesitzer größere Mengen Butter ohne die erforderlichen Lebensmittelkarten erhalten habe. Am 22. Dezember 1941 fand vor dem Sondergericht Rostock ein Prozeß gegen Dr. Jenss und seine Ehefrau statt. Wegen der Unrichtigkeit der Beschuldigungen mußte er freigesprochen werden…. Bereits am Morgen des 1. Januar 1942 fand eine erneute Festnahme statt. Er kam in das Rostocker Stadtgefängnis. Hier ist er eine Woche später (am 8. Januar 1942) umgebracht worden.‘"[1]

[1] Jahnke, Karl Heinz: Sie dürfen nicht vergessen werden. Widerstand gegen die NS-Diktatur in Mecklenburg 1933-1945, Rostock 2005, S.73ff. / http://www.rostocker-anwaltver...