Widerstand in Mecklenburg-Vorpommern

Röbel: CDU wird schikaniert

17. Juni 1953

CDU 17. Juni 1953

Das CDU-Mitglied Gerhard Beyer berichtete über die Nachkriegsjahre seiner Partei in Röbel: Mein Vater wurde 1944 von den Nazis umgebracht, und mein einziger Bruder ist im gleichen Jahr gefallen. Meine Mutter flüchtete vor dem Einmarsch der Roten Armee. Diese tragischen Vorgänge und mein persönliches Erlebnis haben dazu beigetragen, daß ich mich am Aufbau eines demokratischen Deutschlands beteiligen wollte. Als Katholik hatte ich engen Kontakt zu unserer kleinen Diasporagemeinde. Die Kapelle in der Villa eines ehemaligen Nazi, der 1945 von den Russen verschleppt worden war, wurde später für uns Mittelpunkt unserer kirchlichen sowie politischen Arbeit. Alles geschah unter ganz schwierigen Bedingungen, da sich in unmittelbarer Nähe die Kreisleitung der SED befand. Zuvor hielten wir alle Versammlungen und Sitzungen in einem kleine Cafe am Kirchplatz von Röbel ab, immer unter großen Schwierigkeiten, da Bespitzelungen seitens der SED und ihrer Helfershelfer an der Tagesordnung waren. Zum Glück hatte ich guten Kontakt zur russischen Kommandantur in Röbel und insbesondere zu ihrem Politoffizier; er war Jude und sprach perfekt Deutsch, mit seiner Hilfe hatte ich eine gewisse Rückendeckung. Das war der SED ein Dorn im Auge. Diese günstige Situation für uns war leider nicht von langer Dauer, die Ereignisse um den 17.Juni 1953 brachten für uns eine schreckliche Wende. Unsere katholische Kapelle wurde danach beschlagnahmt und für immer geschlossen. Die Stasi belegte nun für ihre Zwecke das Gebäude, und die Verbindung zur Kommandantur brach endgültig ab. Das hatte zur Folge, daß sich die engsten Mitarbeiter der CDU Kreisverbände Röbel und Waren noch enger zusammenschlossen und sich nur noch in privaten Wohnungen treffen konnten. Wir gingen somit in den Untergrund und nahmen spontan Kontakte zum Ostbüro der CDU in Westberlin auf. Unser Widerstand richtete sich von jetzt ab gegen die verfehlte Politik der Ost-CDU im SED-Staat. Das Ostbüro der CDU war für uns die Zentrale der Exil-CDU unter Führung von Jakob Kaiser und Ernst Lemmer. Nach den Ereignissen des 17. Juni führte ich zusammen mit einigen meiner Freunde mehrere Gespräche mit Otto Nuschke in der Parteizentrale in der Jägerstraße in Ostberlin, jedoch ohne Erfolg. Themen waren u. a. die Verfolgung und Verhaftung von Parteifreunden aus Röbel, Waren und dem Land Mecklenburg, die Nuschke immer wieder in Abrede stellte und  als Diffamierung abtat. Nach meinem letzten Gespräch mit ihm im Oktober 1953, das in aller Härte geführt wurde, erfolgte nach unserer Heimreise noch in der gleichen Nacht in Röbel und Waren unsere Verhaftung durch den Staatssicherheitsdienst. Jetzt waren wir also die nächsten Opfer dieser Willkür. Aus Röbel die Freunde Max Adler, Willy Zühlsdorf, Friedrich Breuer und ich, aus Waren das Ehepaar Neumann und Freund Walter Hille. Nach langer Untersuchungshaft bei der Stasi verurteilte uns das Bezirksgericht Neubrandenburg wegen Gefährdung des Weltfriedens und Verbindung zur West-CDU zu langjährigen Zuchthausstrafen. Als Rädelsführer erhielt ich sechs Jahre Zuchthaus und meine Freunde fünf bis ein Jahr Zuchthaus. Unser Leidensweg begann nun hinter Zuchthausmauern unter schrecklichen Bedingungen und Schikanen. Nach einer schweren Lungenoperation im sogenannten Haftkrankenhaus in Meusdorf wurde ich 1957 aus der Haft entlassen, mit der Auflage, mich am gleichen Tag bei der Polizei zu melden, da mir fünf Jahre Sühnemaßnahmen auferlegt worden waren. Zu den Sühnemaßnahmen gehörte, daß ich mich täglich bei der Polizei in Röbel zu melden hatte, zu jeder Arbeit herangezogen werden konnte, kein Radio und kein Fahrrad besitzen durfte. Ich setzte mich über Westberlin ab und meldete mich beim Ostbüro der CDU, das mich freudig in Empfang nahm. Dort erfuhr ich, daß einige meiner Freunde bereits aus der Haft entlassen worden waren, aber zwei während der Haft verstorben seien.[1]

[1] Gerhard Beyer: Der politische Weg ins Ungewisse, in: Brigitte Kaff (Hg.): Gefährliche politische Gegner. Widerstand und Verfolgung in der sowjetischen Zone/DDR. Düsseldorf 1995, S. 249f.