24. Februar 1989
Frieden Konkret KKW Greifswald
Die westdeutsche Nachrichtenagentur epd meldete im Frühjahr 1989: „Für die Mehrzahl der knapp 200 Delegierten kirchlicher Basisgruppen in der DDR, die am vergangenen Wochenende zu ihrem jährlichen Treffen der Einladung in die alte Hanse- und Universitätsstadt Greifswald gefolgt waren, fand das Ereignis nur am Rande statt. Denn an dem ‚Hearing‘ über Kernenergie im Rahmen des offiziellen Programms, bei dem sich erstmals ein Verantwortlicher für die Atomkraftwerke in der DDR den Fragen der kirchlichen Kritiker stellte, sollten lediglich 20 Spezialisten aus den beteiligten Basisgruppen teilnehmen. Zum Gespräch bereitgefunden hatte sich kein Geringerer als der Erste Stellvertreter des Generaldirektors des DDR-Kombinats Kernkraftwerke, Wolfgang Brune,[1] der sich die kleine Runde ausbedungen hatte - der schlechten Erfahrungen wegen, wie es hieß, die staatliche Vertreter bei kirchlichen Gesprächsforen während des Ost-Berliner Kirchentages 1987 gemacht hätten. Sein Arbeitsplatz ist das bei Greifswald gelegene Kernkraftwerk ‚Bruno Leuschner‘ in Lubmin, das zugleich Leitbetrieb für die zur Energiegewinnung genutzten oder im Bau befindlichen Reaktoranlagen in der DDR ist. Zur Diskussion stand in erster Linie die Frage, welche Prioritäten für die Energieversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten in der DDR gesetzt werden und welche Rolle dabei der Kernenergie zukommt. In seinen einleitenden Bemerkungen und später auch in seinen Reaktionen auf gezielte Fragen hielt SED-Genosse Brune zwar an der am Wirtschaftswachstum orientierten Politik seiner Partei fest, ließ aber auch erkennen, daß die Zeit des ungehemmten Energieverbrauchs im Grunde längst vorbei sei. Der vierte Platz in der Weltrangliste beim Primärenergieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung sei jedenfalls kein Anlaß, stolz zu sein, ließ er wissen, und berichtete, daß den Industriebetrieben bereits entsprechende Auflagen erteilt worden seien. Doch davon mußte er seine Gesprächspartner gar nicht erst überzeugen, im Gegenteil, Denn von ihnen und ihren Gruppen ist seit Jahren immer wieder der leichtfertige oder auch verschwenderische Umgang mit der Elektroenergie oder Wärmeenergie beklagt worden. Und sie waren es auch, die durch Eingaben und Aktionen, durch öffentliche Erklärungen oder auch in ihren hektographierten Informationsblättern auf die Konsequenzen dieses Umgangs aufmerksam gemacht haben. Umso verständlicher war darum die Hartnäckigkeit, mit der sie in dem Gespräch immer wieder auch auf alternative Verfahren zur Energiegewinnung zu sprechen kamen und mit der sie wissen wollten, warum auf diesem Felde weder eine Förderung privater Initiativen noch gesellschaftlicher Investitionen erfolge. Was mit alternativen Wegen der Energiegewinnung erreicht werden könne, ist so unbedeutend, daß es nicht zu Buche schlage, war Brunes Entgegnung darauf, wobei er sich erst gar nicht auf das Argument einließ, daß sich daran nur wenig ändere, solange alle Investitionsmittel dem Ausbau der Kernenergiegewinnung zufließen. Er habe die Aufgabe, die Energieversorgung sichern zu helfen, und dabei müsse er von dem ausgehen, was an Möglichkeiten vorhanden sei, hielt der den Forderungen entgegen. Und davon ließ er sich auch durch die wiederholten Hinweise auf die Risiken der Kernenergie nicht abbringen, die ihm längst nicht so groß erscheinen wie seinen Kritikern. Zu Katastrophen wie vor zwei Jahren im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl könne es bei den vorhandenen und den im Bau befindlichen Anlagen in der DDR jedenfalls nicht kommen, beteuerte er wiederholt seinen Zuhörern.“