10. November 1973
Republikflucht Jugendwiderstand Frauen
Eine Schülerin der zwölften Klasse der EOS Ludwigslust wurde am 10. November 1973 bei einem Fluchtversuch verhaftet. Noch während das Ermittlungsverfahren gegen sie lief, beantragte der Schuldirektor ihren Verweis von der Bildungseinrichtung. Seine Begründung: „Mit meinem Antrag auf Relegierung der Schülerin XX befinde ich mich in voller Übereinstimmung mit der Forderung der Lehrer und Schüler der Erweiterten Oberschule sowie den Elternvertretungen der Schule.“ Ihr Klassenlehrer sah bis dahin keinen Hinweis auf ihre politische Unzuverlässigkeit: „Die Qualität ihrer Diskussionsbeiträge verbesserte sich im Laufe der 3 Schuljahre. Sie zeichneten sich durch Informiertsein aus und ließen in zunehmendem Maße erkennen, daß politische Ereignisse richtig gewertet wurden. Der Verrat, den diese Schülerin an dieser Republik beging, zeigt, daß es sich immer nur um Lippenbekenntnisse gehandelt hat.“ Die FDJ-Sekretärin war der Ansicht: „Da sie über wenig Urteilsvermögen verfügt, schloß sie sich der Meinung der anderen an und bezog keine klare persönliche Stellung.“ Außerdem sei sie durch ihre Kleidung aufgefallen und hätte ihre Freizeit bevorzugt außerhalb der Schule verbracht. Die FDJ-Leitung ihrer Klasse urteilte: „XX hat Verrat an unserem Staat und damit auch an unserer Klasse begangen. Sie hat auf Grund des fehlenden sozialistischen Bewusstseins und Nichtbeachtung der Lehren unserer sozialistischen Schule versucht, unsere Republik illegal zu verlassen. Wir, die Klasse 12/1, verurteilen diese Handlung XXs auf das Schärfste und fordern ihre Relegierung von unserer Erweiterten Oberschule.“ Auch das Elternaktiv der Klasse verurteilte sie und auch die Eltern des Mädchens ‚stimmten der Relegierung zu“.[1] Anschließend wurde sie der Oberschule verwiesen und zukünftig auch an keiner anderen Oberschule zugelassen.
[1] Fricke, Caroline: Politisch bedingte Konflikte von Jugendlichen im Bezirk Schwerin 1971 – 1989, Potsdam 2014, S. 602f. https://publishup.uni-potsdam....